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foodwatch / 22.05.2024
foodwatch kritisiert Verbraucher-Bashing von Cem Özdemir
Minister lenkt von eigener Untätigkeit beim Tierschutz ab
Pressemitteilung / (Berlin) foodwatch hat Interviewaussagen von Cem Özdemir kritisiert, wonach die Menschen in Deutschland mitverantwortlich seien für schlechte Tierhaltungsstandards, weil sie angeblich nicht bereit seien, im Supermarkt genug Geld zu bezahlen. Der Agrarminister zeige mit dem Finger auf die Verbraucher:innen, um vom eigenen politischen Scheitern abzulenken, so die foodwatch-Kritik. Wenn Verbraucher:innen zu teureren, vermeintlich „besseren“ Lebensmitteln greifen, bedeute das weder, dass die Tiere besser gehalten würden, noch, dass Landwirt:innen mehr Geld bekämen, betonte die Verbraucherorganisation.
„Verbraucher:innen können mit ihrem Einkauf im Supermarkt nicht für mehr Tierschutz sorgen. Ein höherer Preis an der Supermarktkasse bedeutet nicht automatisch höhere Tierschutzstandards – und beim Landwirt kommt auch nicht unbedingt mehr Geld an“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Dr. Chris Methmann. „Cem Özdemir hat seit seinem Amtsantritt herzlich wenig für eine bessere Tierhaltung erreicht. Dass der grüne Agrarminister jetzt den Verbraucher:innen die Schuld für Missstände in deutschen Ställen zuschiebt, ist ebenso durchschaubar wie schäbig.“
Cem Özdemir hatte in einem Interview mit dem ARD-Sender Radio Eins den Menschen in Deutschland vorgeworfen, sie seien nicht bereit für gute Tierhaltung auch mehr Geld zu bezahlen. Verbraucher:innen seien „leider sehr gut in den Einstellungen was Tierschutz angeht“, aber beim Einkauf werde „dann auf den Geldbeutel geschaut und das Ergebnis ist, dass die Landwirte eben nicht das bekommen, was sie bekommen müssten.“ „Wer möchte, dass Tiere artgerecht gehalten werden, (…) muss auch bereit sein, die entsprechenden Produkte zu kaufen“, so der Minister.
Drei Beispiele machten deutlich, warum die Aussagen des Ministers falsch seien, so foodwatch:
1) Beispiel Anbindehaltung
Die tierquälerische Anbindehaltung bei Kühen ist nach wie vor erlaubt. Jeder dritte Milchviehbetrieb in Deutschland hält seine Tiere in Kettenhaltung. Die Milch wird auch in teuren Markenprodukten wie Exquisa, Weihenstephan oder MinusL und sogar in Bio-Lebensmitteln verarbeitet. Verbraucher:innen können das im Supermarkt jedoch nicht erkennen – sie können sich also auch nicht bewusst gegen Milch aus Anbindehaltung entscheiden. Selbst wenn sie zu teureren Produkten greifen, kann Kettenmilch in ihrem Einkaufskorb landen. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag 2021 zwar vereinbart, die „Anbindehaltung spätestens in zehn Jahren beenden“ zu wollen. Doch seitdem geht es bei dem Thema nicht voran.
2) Beispiel Tiergesundheit
Verbraucher:innen können beim Einkauf nicht erkennen, ob Fleisch, Käse oder Eier von kranken Tieren stammen – egal ob sie zu Bio-Produkten greifen oder zu vermeintlich besseren, teuren Markenprodukten. Denn Nutztiere leiden millionenfach unter Krankheiten und Schmerzen – und zwar in allen Haltungsstufen, von Bio bis konventionell. So zeigen Schlachthofbefunde beispielsweise, dass knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse haben – in der Bio-Haltung sind es mit 35 Prozent laut einer Studie kaum weniger. Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag versprochen, eine „Tiergesundheitsstrategie“ zu erarbeiten. Passiert ist bisher nichts. Im Gegenteil, die Pläne wurden mittlerweile offenbar auf Eis gelegt: Das Bundesagrarministerium hat kürzlich die Finanzierung für ein entsprechendes Forschungsprojekt („Nationales Tierwohl-Monitoring“, NaTiMon) gestrichen.
3) Beispiel Preise
Landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland stecken in einem ruinösen Preisunterbietungswettbewerb. Doch der Appell an Verbraucher:innen mehr Geld im Supermarkt auszugeben, hilft Landwirt:innen nicht. Denn wieviel Geld an die Erzeuger ausgezahlt wird, hängt nicht entscheidend davon ab, ob Menschen zum teuren Markenprodukt oder zum günstigen No-Name-Lebensmittel vom Discounter greifen. Die höheren Preise streichen sich fast komplett Hersteller und Handel ein.
weitere Informationen: Foodwatch, www.foodwatch.org