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DLG / 21.11.2021
Systems & Components: Druckgerecht konstruiert: Anwendungsmöglichkeiten der Additiven Fertigung im Off-Highway-Sektor
Pressemitteilung / (Frankfurt am Main) Die Additive Fertigung ist dabei, den Maschinen- und Anlagenbau zu revolutionieren: Denn wo bisher gefräst oder gegossen wurde, kommt zunehmend der 3D-Druck zum Einsatz. Vom 27. Februar bis 5. März 2022 präsentieren sich die Aussteller der SYSTEMS & COMPONENTS als Treiber der werkzeuglosen Fertigung. Die B2B-Plattform für die Zuliefererindustrie der gesamten Off-Highway-Branche findet zum fünften Mal im Rahmen der Agritechnica statt. Wie sich die neuen Technologien in das eigene Geschäftsmodell integrieren lassen und wie sich mit 3D-Druck das Produktportfolio erweitern lässt, sind nur zwei der Aspekte, die in Hannover auf der Agenda stehen.
Was noch vor wenigen Jahren wie Zukunftsmusik klang, ist in der Off-Highway-Branche längst zu einer Schlüsseltechnologie geworden: die Additive Fertigung. Waren 3D-Druckverfahren lange Zeit zu zeitaufwändig und kostenintensiv, um sie für die Herstellung von Fahrzeugkomponenten zu verwenden, arbeiten mittlerweile alle großen Bau- und Landmaschinenhersteller an der industriellen Serienreife der Technologie, darunter Caterpillar, John Deere und Komatsu. Zum einen nutzen sie das Verfahren nach wie vor zur schnellen Fertigung von Modellen und Werkzeugen. 3D-gedruckte Sandkerne sind weiterhin grundlegend für qualitativ hochwertigen Eisenguss, der in Bauteilen wie Achsgehäusen oder Radnaben mündet. Zum anderen haben die Unternehmen erste direkt gedruckte Bauteile in ihre Lieferkette aufgenommen. So können sie hochkomplexe Komponenten schnell und in kleinsten Stückzahlen produzieren – und das bei größtmöglicher Flexibilität und Wirtschaftlichkeit.
Beim dreidimensionalen Druck erfolgt der Aufbau Schicht für Schicht auf Basis digitaler Konstruktionsdaten. Der Werkstoff wird nur an den Stellen verbaut, wo er gebraucht wird. So lassen sich von der Natur inspirierte bionische Geometrien realisieren, die mit Gießen oder subtraktiven Methoden wie Fräsen oder Drehen nur schwer oder gar nicht herstellbar sind. Das macht die Fertigungstechnik gerade für jene Bereiche interessant, die auf Leichtbauteile angewiesen sind. Ziel der Konstrukteure ist es folglich, die neuen Design-Freiheiten für die funktionale Optimierung von Bauteilen zu nutzen, die in mobilen Arbeitsmaschinen zum Einsatz kommen.
Ersatzteilversorgung neu gedacht
Zunehmend bedient die Additive Fertigung dabei den Wunsch nach der Just-in-time-Produktion von Ersatzteilen sowie deren Individualisierung – werkzeuglos, in benötigter Stückzahl und ohne Mindestabnahmemenge. Da die Ersatz- und Nachrüstteile auch nach langer Zeit anhand der gespeicherten CAD-Daten problemlos nachgedruckt und geliefert werden können, ist keine ressourcenintensive Lagerlogistik erforderlich. Wartung und Ersatzteilmanagement können proaktiv und kostensparend erfolgen. Daraus ergeben sich interessante Perspektiven für den After Sales Service, die teilweise heute schon Realität sind. So kann der Maschinenhersteller auf Basis von Sensordaten Aussagen über den Motorzustand treffen und On-Demand, noch bevor ein Ausfall auf dem Feld oder der Baustelle überhaupt eintritt, das benötigte Ersatzteil fertigen – ganz im Sinne des Predictive Maintenance. So wird die vorausschauende Wartung auch für Sonderteile kostensparend möglich.
Neue Werkstoffe mit neuen Eigenschaften
Waren es anfangs vor allem Kunststoffbauteile, die schichtweise gedruckt wurden, hat der 3D-Metalldruck mittlerweile sein Versuchsstadium verlassen. Die hohe Festigkeit neuer Materialien ermöglicht die Fertigung gewichtseffizienter, tragender Komponenten aus Aluminium oder Stahl. Die daraus gefertigten korrosionsbeständigen Teile sind optimal für den langfristigen Einsatz und halten den harten Bedingungen im Off-Highway-Bereich stand. Denkbare Einsatzbeispiele für das selektive Laserschmelzen (SLM) oder das selektive Lasersintern (SLS) sind beispielsweise präzise gefertigte Metallteile im Antriebsstrang aber auch im Motor selbst sowie in Kühlaggregaten, Getrieben, Achsen oder Fahrgestellen.
Erweitert werden die bekannten pulverförmigen Materialien seit einiger Zeit durch innovative Metallfilamente, die sich zur Herstellung von Edelstahlkomponenten mittels „Fused Filament Fabrication“ (FFF) eignen. Das Filament besteht dabei aus einem Metallpulver und einer Kunststoffmischung, die bei 150 bis 200 Grad Celsius schmilzt. Nach dem Entbinder- und Sinterprozess kann das Objekt, wie bei herkömmlichen Edelstahl, geschweißt, poliert oder beschichtet werden. Noch sind die Komponenten, die auf diese Weise entstehen, vergleichsweise klein und haben überschaubare Stückzahlen. Doch die zunehmende Erweiterung der Schmelzschichtverfahren auf Metalle verspricht eine flexible Produktion von Einzelteilen bis hin zu Kleinserien.
Das Beste aus zwei Welten vereint
Die Techniken stoßen allerdings immer dann an ihre Grenzen, wenn sich mit herkömmlichen Verfahren wirtschaftlich hohe Stückzahlen realisieren lassen. Im Fokus vieler Aktivitäten stehen deshalb Hybridverfahren, die es ermöglichen, die Additive Fertigung auf CNC-Maschinen zu integrieren. Ziel ist es, die Grenzen additiver Verfahren zu überwinden und diese dort nutzbar zu machen, wo ihr Einsatz bislang noch nicht möglich war.
Die intelligente Kombination von 3D-Druck mit Techniken wie Zerspanen, Sintern oder Spritzgießen soll dabei neue Wege erschließen – eine Absicht, die auch das Projekt „KitkAdd“ verfolgte, an dem Wissenschaftler der Universität Paderborn gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie Unternehmen aus der Wirtschaft forschten. John Deere betrachtete im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die Fertigung von Planetenradgetrieben mit verbesserter Schmierstoffversorgung sowie Wärmetauscher zur dezentralen Kraftstoffkühlung. Nach etwas mehr als drei Jahren Laufzeit wurde das Projekt im März 2020 erfolgreich abgeschlossen. Für die Bauteile wurden industrielle Produktionskonzepte erstellt, die im Vergleich zur rein additiven Prozesskette eine wirtschaftlichere Herstellung ermöglichen.
Digitaler Zwilling meets Rapid Prototyping
Um die vollen Möglichkeiten der Additiven Fertigung ausschöpfen zu können, werden die Komponenten unter Anwendung modernster Konstruktionsmethoden entwickelt. Die größte Herausforderung bei der Fertigung verzugsarmer Bauteile liegt in der Einhaltung der geforderten Toleranzen und Maßhaltigkeit. Das Konzept des digitalen Zwillings hilft, Problemzonen bei additiv gefertigten Komponenten zu identifizieren, Ausschuss zu vermeiden und flexibel auf Design-Änderungen zu reagieren. Möglich wird es damit, die reale Fertigungssituation im Computer zu simulieren.
Noch einen Schritt weiter geht das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM aus Kaiserslautern. Mit „Hardware-in-the-Loop“ bietet es die Möglichkeit, mobile Arbeitsmaschinen in einer Software komplett nachzubilden und virtuell zu testen. Mit dem Teststand können die Hersteller die Praxistauglichkeit und Leistung schon in einem frühen Stadium der Entwicklung prüfen, nachbessern und optimieren. „Wir sind in der Lage, Baumaschinen aller Art zu testen, beispielsweise unterschiedliche Kran-Typen“, erklärt Projektleiter Dr. Christian Salzig. Alle Funktions- und Belastungstests können bereits in der Konzeptphase erfolgen und nicht erst, wenn der Prototyp fertig ist. Mit den Tests sehen Konstrukteure, ab welchem Neigungswinkel der Digitale Zwilling des Krans instabil wird oder umkippt.
Technische Störungen lassen sich ebenfalls simulieren – etwa, was passiert, wenn an einer Gelenkstelle ein Kabel bricht oder die Hydraulik des Hebeelements Druck verliert. Salzig weist noch auf einen weiteren Aspekt hin: „Die Hersteller wollen natürlich bei jeder neuen Generation Material einsparen, den Energieverbrauch senken, neue Funktionen integrieren und die Maschinen kleiner und mobiler machen.“ Genau solche Verbesserungen macht Hardware-in-the-Loop möglich. In der Simulation finden die Fraunhofer Expert:innen heraus, ob die gewünschte Eigenschaft mit weniger Materialaufwand zu realisieren ist oder dieselbe Leistung auch mit einer kleiner dimensionierten Maschine erreichbar wäre.
Die Zukunft der Fertigung ist 3D
Mit Blick auf die SYSTEMS & COMPONENTS 2022 zeigt sich: Der Bedarf an additiv gefertigten Bauteilen für mobile Arbeitsmaschinen wächst – und damit auch der Markt für entsprechende Druckmaterialien, Maschinen, Software und Dienstleistungen. Vom 27. Februar bis 5. März demonstrieren die Aussteller auf dem Messegelände in Hannover, wo der 3D-Druck seine Stärken im Off-Highway-Sektor voll ausspielen kann und welche neuen Anwendungen er für den After Sales Service ermöglicht. Das Thema wird nicht nur in den Präsentationen der Aussteller eine zentrale Rolle spielen, sondern auch in der „Future Lounge“ – dem Fachforum der SYSTEMS & COMPONENTS, in dem die zukünftigen Szenarien der additiven Fertigung diskutiert werden.
weitere Informationen: DLG, www.dlg.org