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DLG / 07.09.2021
DLG-Unternehmertage 2021: Die Beiträge im Plenum
Ausblick Agrarmärkte / Wirtschaftlichkeit der Schweinehaltung / Tierwohl in der Milchviehhaltung / regionale Getreidevermarktung
Pressemitteilung / (Frankfurt am Main) Im Plenum der DLG-Unternehmertage 2021 digital standen am 2. September die Redebeiträge unter dem Tagungsthema „Regulierte Unternehmer auf dynamischen Märkten – Erfolgreiche Strategien zwischen Markt und Staat“. Nachfolgend finden Sie eine Zusammenfassung der von Erik Guttulsröd, Bereichsleiter Betriebsführung und Nachhaltigkeit im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft, moderierten Veranstaltung:
„Marktvolatilität an den Agrarmärkten: Wie geht es weiter?“
Einen detaillierten, globalen Überblick über wichtige Agrarmärkte präsentierte Stefan Vogel, Global Strategist für Getreide und Ölsaaten bei der Rabobank in London. Bei Getreide und Ölsaaten gingen die Kurse nicht nur wegen Wetter- und Produktionsproblemen nach oben, sondern auch wegen einer hohen Nachfrage aus China bei gleichzeitig niedrigen Lagerbeständen der Exportländer. Zudem verstärkten Investmentfonds die Volatilität. In Brasilien hoffte man auf eine Rekordernte bei Mais, jedoch könnten durch eine Dürre die Exporte um ca. 50 Prozent geringer ausfallen. China sei zurzeit größter Importeur von Futtergetreide und kaufe neben großen Mengen an Mais auch viel Sorghum und Gerste auf dem Weltmarkt ein.
Die Welt-Weizenbilanz zeige dieses Jahr, dass erstmalig nach neun Jahren wieder ein deutliches Defizit erwartet werde, bei weiter steigendem Verbrauch. Insbesondere in Russland und Kanada falle die Ernte geringer aus. In Kanada reduziert eine Missernte bei Raps dessen Verfügbarkeit auf dem Weltmarkt. Die US-Sojabestände wiederum seien derzeit sehr knapp, und die Ertragsaussichten wackeln.
Agrarmarktexperte Vogel zeigte, dass die Schweinefleischproduktion in der EU-27 mit UK in 2021 um ein Prozent anstieg, aber die Erzeugung in Deutschland durch die fehlenden Exportmöglichkeiten wegen der Afrikanischen Schweinepest um rund vier Prozent eingebrochen ist. Erst im vierten Quartal 2021 erwartet er eine Verbesserung der Exportmöglichkeiten.
Der Markt für Milch in der EU-27 und UK habe im ersten Halbjahr 2021 um 0,6 Prozent zugelegt – Deutschland und Frankreich hätten jedoch um 1,2 bzw. 0,9 Prozent weniger produziert. Starke Anstiege in der Erzeugung seien in Irland (7,4 Prozent) und Italien (3,6 Prozent) festzustellen. Das Milchpreisniveau in der EU könne daher nur als stabil bis leicht steigend in den kommenden Monaten prognostiziert werden. Für die Betriebe seien aber die zugleich deutlich höheren Futterpreise ein Problem.
„Schweinehaltung in der Premiumstufe – kann die Rechnung aufgehen?“
Wilfried Brede, Spezialberater Schwein beim STA-Serviceteam Alsfeld GmbH, zeigte mit spitzem Stift, wie knapp und unsicher heute in der Schweinehaltung neue Investitionen zu kalkulieren sind. An Beispielen eines neugeplanten Premium-Maststalles und eines neu geplanten Premium-Stalles für die Ferkelerzeugung zeigte er, welche Mindesterlöse für eine rentable Produktion erreicht werden müssten (Siehe Tabellen in Tagungspräsentation).
Bisherige staatliche Förderungsprogramme – bzw. deren Ankündigungen – seien bislang noch nicht ansatzweise in der föderalen Realität angekommen. Die von Bundesministerin Klöckner angekündigten 80 Prozent Förderung der Investitionssumme sei zum Beispiel in Hessen gedeckelt, so dass maximal 25 Prozent einer Bruttoinvestition bei einem 2-Millionen-Stallneubau staatlich bezuschusst würden.
Berater Brede appellierte eindringlich, was Schweinehalter in der verfahrenen Situation derzeit dringend von Politik, Verwaltung, Handel und Beratung benötigten:
- Die Landwirte brauchen keine Sprüche von Werbestrategen, die vollmundig Programme ankündigen, aber keine Ahnung von deren Finanzierung haben.
- Die Landwirte brauchen keine Aussagen von politisch Verantwortlichen, die vollmundig diskutiert, aber nicht umgesetzt werden.
- Die Landwirte brauchen klare Leitlinien und belastbare Planungshorizonte. Die Tierhaltung arbeitet in Generationen und nicht in Jahresupdates.
- Die Landwirte brauchen Hilfestellung bei der Umsetzung für ein Mehr an Tierwohl hinsichtlich bau- und Immissionsschutzrechtlicher Belange.
- Die Landwirte brauchen individuelle „Masterpläne“, um die Entwicklungsschritte nach und nach umzustellen. Eine einfache Umsetzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist zu kurz gedacht und kommt daher nicht in Frage.
- Die Landwirte werden zukünftig intensiver in Wertschöpfungsketten und mit mittelfristig angelegten Abnahmeverträgen arbeiten müssen.
Brede mahnte insbesondere an, dass in der Debatte derzeit nicht immer ein ehrlicher Umgang der Beteiligten gegeben sei. „Die Schweinehaltung in der Premiumstufe wird nur dann funktionieren, wenn alle Beteiligten der Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen,“ sagte Brede. „Und letztlich muss auch der Verbraucher bereit sein, mehr für das Produkt zu bezahlen. Daran habe ich persönlich aber meine Zweifel. Solange wir uns in einem Angebotsmarkt bewegen und nicht in einem Nachfragemarkt, wird Premiumfleisch nur eine ‚Nische‘ bleiben, solange der Verbraucher wählen kann.“ Allerdings könne sich dies aufgrund der dramatisch schlechten Lage am Schweinemarkt zukünftig ändern. „Wir müssen den Betrieben eine Chance geben, auf dem Markt bestehen zu bleiben,“ appellierte Brede.
Berater Brede verwies abschließend auf eine Zusammenstellung seines Berufskollegen Peter Spandau von der LK Nordrhein-Westfalen, der die verschiedenen Sichtweisen zu tiergerechten Haltungsformen und Tierwohl der in der Schweinehaltung beteiligten Stakeholder so zusammenfasst:
- Der Tierhalter:Die Leistungsfähigkeit ist der Indikator für das Wohlergehen des Tieres.
- Der Tierschützer:
Nutztiere müssen das Verhalten ihrer „frei lebenden“ Artgenossen ausleben dürfen. - Der Wissenschaftler:
Sucht Hände ringend nach Indikatoren, anhand derer er das Wohlergehen messen kann. - Der Verbraucher:
Setzt sich mit der Thematik kaum auseinander, möchte aber kein schlechtes Gewissen haben. - Der Lebensmitteleinzelhandel:
Möchte den Wünschen der Verbraucher entsprechen, um seine Marktposition nicht zu verschlechtern. - Der Politiker:
Hält die Maßnahmen für sinnvoll, die ihm die meisten Wählerstimmen bescheren.
„Tierwohl und Umweltwirkung in der Milchviehhaltung – was kommt auf die Unternehmer zu?“
Für Andreas Pelzer, Leiter des Sachbereiches Rinderhaltung im Haus Düsse der LWK Nordrhein-Westfalen, ist die Zukunft für die Milchviehhaltung komplexer, als sich nur auf die Aspekte Tierwohl und Umweltwirkung zu fokussieren. Diese Themen allein würden die Landwirte bei einer zukunftsfähigen Ausrichtung ihrer Milchproduktion nicht wirklich weiterbringen. Es müssten auch die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Darüber hinaus müsse auch die Digitalisierung und hier vor allem die Automatisierung beachtet werden. Die habe einen großen Einfluss auf die Arbeitszeit und ‑qualität sowie auf das Tierwohl und mittels Digitalisierung könnten auch Umweltwirkungen in der Tierhaltung verbessert werden. Voraussetzung einer erfolgreichen Digitalisierung sei aber 5G an jeder Milchkanne.
Kuhkomfort laufend weiterentwickelt
„Neben den Aspekten Nachhaltigkeit und einer zunehmenden Digitalisierung haben wir es in der Formel zur Bestimmung der Zukunft in der Milchviehhaltung allerdings mit drei weiteren Faktoren – besser ausgedrückt ‚Unbekannten‘ – zu tun,“ so Pelzer, „nämlich die Politik, die Gesellschaft und der Markt.“ Die politische und gesellschaftliche Diskussion über mehr Tierwohl in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sei in der Milchviehhaltung aber kein neues Thema: Seit über 25 Jahren diskutiere die Branche darüber und arbeite daran, Kuhkomfort in die Ställe zu implementieren und immer weiter auszubauen. Außenklima durch Spaceboards und Curtains, Liegekomfort durch Wasserbetten und einen hohen Anteil an Bewegungsflächen bei zweireihigen Laufställen wurden ohne politischen Zwang, sondern aus Überzeugung für die Kühe umgesetzt und eingebaut. Mit dem „Kuhkomfort“ sei laut Pelzer für das Tierwohl schon viel erreicht worden, und die aktuell definierten Forderungen rund um die staatliche Nutztierstrategie, Borchert und LEH, müssten moderne Milchviehhalter, die ihre Ställe in den letzten 20 Jahren nach Beratungsempfehlung gebaut haben, nicht wirklich scheuen.
Nachholbedarf bei Umweltwirkungen
In Bezug auf die Umweltwirkungen der Milchviehhaltung sei jedoch noch viel zu tun. Von vielen Seiten aus werde dazu gearbeitet, aber leider noch ohne große Erfolge. Es gebe in Bezug auf Fütterung, Haltung, Technik und Bau einige Ansätze, die aber erst zusammenführt werden müssten, um dann in der Summe wirkliche Reduktionen bei den Emissionen von Methan, Ammoniak und Lachgas erreichen zu können. Der Methanausstoß könne zum Beispiel durch neue Fütterungsstrategien verringert werden. Darüber hinaus sollten die Methanemissionen im Güllelager direkt als Biogas genutzt werden, was neue Wege im Umgang mit Gülle erfordere. Auf Haus Düsse werde zurzeit mit einem Urinal für Kühe untersucht, wie damit die Bildung von Ammoniak verringert werden kann. Strohställe stünden politisch und gesellschaftlich hoch im Kurs. Pelzer stellt jedoch infrage, ob sie auch wirklich nachhaltig sind und wie die systembedingten Lachgasemissionen zu bewerten sind.
Interaktion zwischen Tierwohl und Umweltwirkung.
Die Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Umweltwirkungen sind laut Pelzer enorm und es gehe derzeit darum, schnell wirksame Lösungen zu finden. „Bei Haltung und Technik gibt es schon Ideen und Ansätze, die weiter entwickelt werden müssten. Hier wäre auch die Politik gefragt, entsprechende Förderprogramme für den Mittelstand aufzulegen und im Rahmen von Innovationsförderungen diese neuen Konzepte in Deutschland zu entwickeln und einzubauen,“ so Pelzer, „Ideen und Innovationen gibt es genug.“ Für ihn passe inzwischen der Begriff „Transformation“ besser als „Wandel“ in der Tierhaltung: „Wir werden die Tierzahlen reduzieren müssen, wir werden in den Dialog und die Konflikte in der Kommunikation benennen und lösen müssen.“
Für Andreas Pelzer ist eine tatsächlich nachhaltige Landwirtschaft und Milcherzeugung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese könne die Praxis aber nur gemeinsam mit der Politik, mit der Gesellschaft und vor allem mit dem Handel und der Industrie lösen bzw. umsetzen. „Wir sollten Ansätze finden, die Kommunikation wieder gemeinsam zielorientiert zu führen, Lösungen gemeinsam zu erarbeiten sowie Ideen und Innovationen zu erarbeiten und diese konkreten Lösungen in Produkte einzubauen,“ sagte Pelzer zum Abschluss. „Es ist auch jetzt nicht die Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern eher die Zeit, gemeinsam die Schippe in die Hand zu nehmen und anzufangen.“
„Erfolg heißt: „Bauer sein“ – regionale Vermarktung ungespritzten Getreides“
Landwirt Roland Waldi stellte die Marktgemeinschaft Kraichgau Korn w.V. in Nussloch-Maisbach (Baden-Württemberg) vor, deren Vorstand er ist. In dieser haben sich seit 1990 Landwirte zusammengeschlossen, um Getreide ohne chemischen Pflanzenschutz und Gentechnik anzubauen und regional zu vermarkten. Die Marktgemeinschaft Kraichgau Korn erzeugt seitdem kontrollierte Lebensmittel im Getreidebereich mit dem Ziel der Nachvollziehbarkeit und Naturbelassenheit in allen Stufen bis hin zu den Verbrauchern. Seit Jahrzehnten säen die beteiligten Landwirte rund um ihre Getreideäcker Blühstreifen mit insektenfreundlichen Ackerwildpflanzen an. Aktuell sind in der Region Kraichgau 50 Landwirte, vier Mühlen und ca. 40 Bäcker in der Kraichgau Korn beteiligt.
Die beteiligten Betriebe werden von einem unabhängigen Sachverständigen kontrolliert, auch mit vor-Ort-Feldkontrollen an jedem Getreideacker. Die Boden- bzw. Getreideproben werden als Rückstellmuster von einem behördlichen Labor auf Rückstandsfreiheit kontrolliert und dokumentiert. Unkraut bzw. Beikraut wird ausschließlich mechanisch reguliert. Im Durchschnitt sei mit ca. 20 Prozent weniger Ertrag auf der Fläche zu rechnen, was durch die bessere Vermarktung jedoch kompensiert werde.
Tagungspräsentationen, die von den Rednern zum Download freigegeben wurden, finden Sie zum Download unter www.dlg.org/de/landwirtschaft/veranstaltungen/dlg-unternehmertage/tagungsunterlagen/2021
weitere Informationen: DLG, www.dlg.org