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DLG / 19.06.2023
Energieträger der Zukunft: Wasserstoff macht den Antrieb mobiler Arbeitsmaschinen zur grünen Technologie

Fachbeitrag zur Systems & Components 2023

Pressemitteilung / (Frankfurt am Main) Verbrennungsmotoren und Brennstoffzellen sind die Möglichkeiten, um Off-Highway-Fahrzeuge mit klimaneutralem Wasserstoff anzutreiben. Für beide Technologien sind in Hannover auf der „Systems & Components“ praxistaugliche Lösungen zu finden, die mit elektrischen Antrieben in unterschiedlichen Hybridkonfigurationen einsetzbar sind. Wie aber sieht er aus, der „ideale“ Antriebsstrang für einen wasserstoffbetriebenen Bagger oder Traktor? Vom 12. bis 18. November bietet der B2B-Marktplatz, der im Rahmen der Agritechnica stattfindet, Entwicklern und Konstrukteuren eine Bühne, um sich über die jüngsten Entwicklungen und alternative Kraftstoffe zu informieren und auszutauschen.

Moderne Wasserstoffmotoren wie sie Mitte November auf der Systems & Components vorgestellt werden, basieren auf der bekannten und bewährten Verbrennungstechnologie und machen diese fit für eine nachhaltige Zukunft. Die Vorteile dieser Strategie liegen auf der Hand: Ein Wasserstoffverbrennungsmotor kann in dieselbe Maschine eingebaut werden wie ein Dieselmotor und verwendet dasselbe Getriebe, Kühlsystem und Hydrauliksystem. Er kann in staubigen Umgebungen betrieben werden, hält starken Vibrationen stand und ist in allen Größen und Konfigurationen erhältlich. Aus Sicht der Fahrzeughersteller und Flottenbetreiber handelt es sich bei der Umstellung auf einen wasserstoffbetriebenen Antriebsstrang im Grunde genommen also um eine bekannte Architektur, bei der ein Hubkolbenmotor, statt mit Diesel, Benzin oder Erdgas mit Wasserstoff angetrieben wird.

Bewährte Basis, nachhaltiger Kraftstoff

Im Gegensatz zur Brennstoffzelle ist der Wasserstoffverbrenner eine kostengünstige, mit heutiger Fertigungsinfrastruktur schnell umsetzbare Alternative für eine CO2-freie Mobilität im landwirtschaftlichen Umfeld wie auf Baustellen. Zwar liegt sein Wirkungsgrad bei niedrigen und mittleren Lasten unter dem der Brennstoffzelle, bei Volllast aber darüber. Experten wie Dr. Thomas Pauer, Vorsitzender des Bosch-Geschäftsbereichs Powertrain Solutions, sehen im Wasserstoffmotor deshalb einen Türöffner für die Off-Highway-Märkte und eine Ergänzung zur Brennstoffzellentechnologie, die im Schwerlast- und Offroad-Bereich, schneller an ihre Grenzen stößt. „Baumaschinen werden häufig stationär unter hoher Last betrieben – genau hier glänzt der Wasserstoffmotor mit hohem Wirkungsgrad und seiner Robustheit“, betont Pauer. Zu den Vertretern dieses Konzepts zählt beispielsweise der TCG 7.8 H2 von Deutz. Der Sechszylinder basiert auf einem bestehenden Motorbaukasten und ist für den Off-Highway-Einsatz geeignet. Er läuft CO2-neutral und liefert 220 Kilowatt Leistung. Neben einer ersten Pilotanwendung in einem GenSet zur Stromerzeugung soll der Motor im Rahmen des HyCET-Projekts in einen 18-Tonnen-Lkw seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen. Die Serienproduktion des Motors plant Deutz bereits für das Jahr 2024.

„Der Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff hat das Potenzial, viele Schwerlast- und Offroad-Anwendungen schnell klimaneutral zu machen“, bestätigt auch Dr. Peter Wieske, Direktor Konzernvorausentwicklung bei Mahle. Es gibt allerdings eine Herausforderung. Sie besteht darin, Motorklopfen und vorzeitige Zündungen zu unterbinden, ohne das Verdichtungsverhältnis und damit Effizienz und Leistungsausbeute zu reduzieren. Dabei spielt die Vorkammerzündung, die Mahle Powertrain für Liebherr Machines Bulle weiterentwickelt hat, eine entscheidende Rolle. Hintergrund: Um trotz hoher Verdichtung einen stabilen Betrieb ohne Klopfen zu erreichen, müssen Wasserstoffmotoren mit einem hohen Luftüberschuss betrieben werden. Um dieses Gemisch zu entzünden, reicht die Energie einer konventionellen Zündkerze nicht aus.

Vorkammertechnologie für stabile Verbrennung

Ein Problem, das die Mahle Jet Ignition (MJI) löst, indem sie in einer Vorkammer des Zylinders eine geringe Menge eines zündfähigen Gemisches verbrennt. Das entstehende Gasplasma wird durch kleine Öffnungen in die Hauptbrennkammer geleitet und entzündet durch seinen hohen Energiegehalt das dort eingeblasene Gasgemisch schnell und gleichmäßig. Versuche mit den H966- und H964-Motoren von Liebherr sollen dabei hervorragende Ergebnisse in punkto Verbrennungsgeschwindigkeit, Leistung und Emissionen gezeigt haben. Der H966 ist das Herz des neuen Liebherr Raupenbaggers R9XX H2. Hierbei handelt es sich um einen Wasserstoffmotor, der für Feldversuche entwickelt wurde und auf der Saugrohreinblasung (PFI) basiert. Die mittels dieser Technologie erzielten Ergebnisse zeigen das Potenzial des Wasserstoffantriebs für Anwendungen abseits der Straße. Daneben arbeitet das Liebherr an weiteren wasserstoffbasierten Antriebstechnologien wie der H2-Direkteinblasung (DI). Letztere verspricht eine höhere Leistungsdichte als die H2-Saugrohreinblasung und eignet sich damit für anspruchsvolle Heavy-Duty-Anwendungen in der Bau- und Miningbranche. Auch Bosch arbeitet aktuell an Systemen mit Saugrohr- beziehungsweise Direkteinspritzung und ist an mehr als 100 Projekten weltweit beteiligt. Der neue Injektor AFI-LP (Alternative Fuel Injector – Low Pressure) beispielsweise bietet neben der Direkteinspritzung von Wasserstoff auch die Option zur Verwendung anderer Kraftstoffe wie Methanol – was den Motorenherstellern größtmögliche Flexibilität garantiert.

Bis 2025 will Liebherr mit der Serienproduktion seiner Wasserstoffmotoren starten. Genau wie Bosch forscht das Technologieunternehmen darüber hinaus an Einspritzlösungen, um die Verbrennung und Leistungsdichte weiter zu optimieren. „Das Fachwissen unseres Ingenieurteams zu alternativen Kraftstoffen ist bei dieser Entwicklung von zentraler Bedeutung“, erklärt Bouzid Seba, Leiter der Vorentwicklung bei Liebherr Machines Bulle. Seine Aussage unterstreicht den technologieoffenen Ansatz, in dessen Rahmen sich Liebherr mit unterschiedlichen Techniken sowie den hierfür geeigneten Kraftstoffen befasst. Neben wasserstoffbetriebenen Motoren laufen derzeit mehrere Forschungsaktivitäten zum Einsatz alternativer Kraftstoffe. Ein Beispiel dafür ist ein Dual-Fuel-Motor, der mit Wasserstoff und HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) beziehungsweise mit reinem HVO betrieben werden kann. Viele der auf der Systems & Components vorgestellten Dieselmotoren sind mittlerweile voll kompatibel mit erneuerbaren HVO-Kraftstoffen, was sie bereits in die Nähe eines CO2-neutralen Betriebs bringen kann.

Motorkraft neu gedacht

Die Aktivitäten zeigen: Alternative Kraftstoffe erfordern Motoren, die von Grund auf so konzipiert sind, dass sie mit ihnen kompatibel sind. Bei Cummins arbeitet man deshalb an neuen Motorenplattformen. „Ziel ist es, mit flexiblen obenliegenden Nockensystemen, verbesserter Kühlung und reduzierter Reibung einen effizienteren Motor mit einer höheren Leistungsdichte zu erzielen. Darüber hinaus haben wir einen fortschrittlich optimierten Brennraum für die Kraftstoffmischung entwickelt“, so Srikanth Padmanabhan, Präsident des Geschäftsbereichs für Motoren. Ziel ist es auch hier, Leistungsbeschränkungen und andere Kompromisse im Zusammenhang mit der Umstellung heutiger Diesel- oder Erdgasmotoren auf Wasserstoff zu vermeiden.

Eines der dabei zu lösenden Probleme ist der Tankraum – denn Wasserstoff hat bei gleichem Energieinhalt ein deutlich größeres Volumen als Diesel. Benötigt wird etwa das Fünf- oder Achtfache des Tankvolumens. Stabile Kohlefaser-Druckbehälter sind hier ein Ansatz, um größere Mengen Wasserstoff für eine Brennstoffzelle oder einen Verbrennungsmotor bereitzustellen. Zum Einsatz kommen aber auch pragmatische Lösungen – wie eine mobile Betankungseinheit, die JCB entwickelt hat. Der britische Bau- und Landmaschinenhersteller hat über 100 Millionen Pfund in die Entwicklung hocheffizienter Wasserstoffmotoren investiert und mittlerweile funktionsfähige Prototypen eines Baggers und eines Teleskopladers vorgestellt. Diese werden nun um eine mobile Tankstelle ergänzt, die es ermöglicht, die Maschinen schnell und einfach vor Ort über eine Zapfpistole aufzutanken. Damit unterscheidet sich der Prozess nicht von dem Ablauf auf Baustellen, auf denen Maschinen mit konventionellem Antrieb eingesetzt werden und durch einen Tankwagen mit Diesel betankt werden.

Die Wasserstoffzukunft startet in Hannover

Diskutiert werden auf der Systems & Components auch die technologischen Potenziale von Wasserstoff in der Land- und Forstwirtschaft. Denn während Elektrofahrzeuge die Straßen erobern, reicht die Kapazität batteriebetriebener Fahrzeuge für den Einsatz auf Feld oder Acker oft nicht aus – außer für kompakte Maschinen mit weniger als 50 Kilowatt. Walter Wagner, Geschäftsführer für Forschung & Entwicklung AGCO/Fendt, weiß: „Für Maschinen mit einem hohen Leistungsbedarf ist die Elektromobilität keine Option zu herkömmlichen Energien. Hier forschen wir an alternativen Lösungen, wie der Verwendung von Wasserstoff.“ Dabei rückt der Brennstoffzellenstapel als eine weitere Antriebsvariante in den Mittelpunkt. Er wandelt die chemische Energie des Wasserstoffs in elektrische Energie um. Der dabei entstehende Strom treibt die Motoren an und wird in Batterien gespeichert, die als Puffer dienen. Brennstoffzellen müssen genau geregelt und überwacht werden. Die Menge, Feuchtigkeit und Sauberkeit der zugeführten Luft sind genauso wichtig wie die Temperatur des zugeführten Wasserstoffs. Die Aussteller der Systems & Components bieten alle notwendigen Komponenten zur Regelung und Überwachung von Brennstoffzellen an und entwickeln diese kontinuierlich weiter.

Gemeinsam mit anderen Partnern beteiligt sich Fendt an dem Modellprojekt H2Agrar zur Erforschung einer Wasserstoffinfrastruktur für eine landwirtschaftliche Nutzung. Das Projekt wurde 2022 mit dem „DLG Agrifuture Concept Award“ ausgezeichnet. Erstmalig kommen dabei Prototypen eines wasserstoffbetriebenen Traktors mit Brennstoffzelle zum Einsatz, die Fendt im April diesen Jahres an Betriebe im niedersächsischen Haren (Emsland) auslieferte. Diese werden über den gesamten Projektzeitraum unter Realbedingungen eingesetzt. Gleichzeitig werden die technischen Anforderungen an eine geeignete Wasserstoff-Infrastruktur für die Landwirtschaft erforscht. Mit Blick auf die diesjährige Systems & Components zeigt sich: Viele Wege führen vom 12. bis 18. November auf dem Messegelände in Hannover zum klimaneutralen Antrieb. Die Suche nach leistungsstarken Lösungen zur Dekarbonisierung mobiler Arbeitsmaschinen hat längst begonnen. Dazu gehört die klimaneutrale Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors, etwa durch den Einsatz von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen, ebenso wie die Entwicklung elektrifizierter Antriebsstränge.

Informationen zur Systems & Components: www.agritechnica.com/de/systems-components

weitere Informationen: DLG, www.dlg.org