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21. Tagung Land.Technik für Profis, © DLG / Claas
21. Tagung Land.Technik für Profis, © DLG / Claas

DLG / 03.07.2022
Wer Technik verstehen will, muss zuerst Landwirtschaft verstehen

21. Tagung Land.Technik für Profis bei Claas in Harsewinkel / Mähdruschtechnik im Fokus / über 200 Experten vor Ort / ehrenvolles Gedenken an das Leben und Wirken von Helmut Claas

Pressemitteilung / (Harsewinkel) Der Klimawandel verändert den Pflanzenbau und mit Digitalisierung und Automatisierung wandeln sich die Bedienkonzepte, gleichzeitig schlagen der Fachkräftemangel und sich kontinuierlich ändernde gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ins Kontor – kurzum: Auch die Mähdruschtechnik steht vor neuen Herausforderungen, die sich in vielfältigen Modifikationen des Bekannten niederschlagen wird. Mit diesen Veränderungen beschäftigten sich die über 200 Experten, die an der 21. Fachtagung „Land.Technik für Profis“ am 21. und 22. Juni im Hause der Claas KGaA mbH in Harsewinkel zusammengefunden hatten.

Die gemeinsame Tagung von DLG e.V. und Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik im VDI e.V. wurde im ehrenvollen Gedenken an Helmut Claas ausgerichtet. Neben vielen technischen Aspekten und Neuerungen auch von Herstellerseite wurden insbesondere durch die Praktiker mehrfach die Bedienung der komplexer werdenden Maschinen in die Diskussion eingebracht, während Pflanzenbau- und Handelsexperten Lösungen präsentierten, wie die Wirtschaftlichkeit des Getreidebaus in Zeiten steigender Anforderungen erhalten werden kann.

Nach der Begrüßung der Teilnehmer und Eröffnung der Tagung durch Dr. Markus Demmel, Vorsitzender des VDI Fachbereichs Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (VDI-MEG) sowie den Grußworten von DLG-Präsident Hubertus Paetow war es Thomas Böck als CEO der gastgebenden Claas KGaA mbH, der die enge Verzahnung zwischen den Unternehmen der Landtechnik und der Landwirtschaft selbst zum Thema machte. „Erst wenn ich das Produkt, die Landwirtschaft und den Arbeitsprozess verstanden habe, kann ich die Effizienz deutlich steigern“, war sein Credo. Dabei verortete er in der Zukunft beim Mähdrescher in Bezug auf die Digitalisierung eine Erweiterung des Aufgabenspektrums in Richtung der Gewinnung von Daten, denn seiner Meinung nach ist die Weiterentwicklung von Ackerschlagkarteien zu Farm-Information-Management-Systemen unaufhaltsam angelaufen.

Rahmenbedingungen im Wandel

Vor eben den Möglichkeiten jener Datenflut warnte Prof. Dr. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim, der die Auswirkungen des EU Green Deals auf die Getreideproduktion beleuchtete. Je mehr Daten verfügbar sind, umso größer ist seiner Meinung nach der Wunsch, darüber immer weiter steigenden Anforderungen des Ordnungsrechts durchzusetzen. Es gelte den gordischen Knoten zu zerschlagen, der sich aus den Zielkonflikten nachhaltigerer Bewirtschaftungsmethoden und dem steigenden Anteil ökologischer Landwirtschaft und dem steigenden Bedarf an Agrarrohstoffen zu zerschlagen, und das bei zertifizierten Anbausystemen. Auf die Auswirkungen des Klimawandels mit nässeren Wintern und trockeneren Sommern wies Prof. Dr. Bernhard Bauer von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hin. Als Lösungen bieten sich eine Regulierung des Wasserhaushalts über Zwischenfrüchte und eine genaue Platzierung bzw. Verteilung des Düngers auf der Fläche, aber auch in der Tiefe des Bodenprofils an. Bauer mahnte logische und iterative Pflanzenbau-Modelle an, die für Entscheidungshilfen zunehmende Bedeutung erlangen.

Herausforderungen für die Praxis

Dass die Praxis nach wie vor genügend Ansatzpunkte für technische Verbesserungen finden kann, stellte Dr. Lars Fliege von der Agrargesellschaft Pfiffelbach mbH in Ilmtal-Weinstraße dar. Als konkrete Beispiele nannte er die Brandgefahr beim Mähdrusch, die aufwändige Kalibrierung der Verlustsensoren, die Beikrautverbreitung über den Mähdrescher und des verminderten Einsatzes chemischer Wirkstoffe sowie den Fachkräftemangel. Gerade die Kombination aus steigenden Ansprüchen an den Bediener durch immer komplexere Arbeitsmaschinen und immer geringere Qualifikation der Bewerber bis hin zu sprachlichen Defiziten nicht deutsch sprechender Mitarbeiter führen hier zu besonders großen Problemen. Die Perspektiven aus Sicht der aufnehmenden Hand stellte Anja Twietmeyer von der Saalemühle Alsleben GmbH dar. Sie berichtete von immer weiter steigenden Anforderungen der Verarbeiter, die letztlich zu einer engeren Verknüpfung mit besserer Kommunikation zwischen aufnehmender Hand und Landwirt führen muss – bis hin zur Sortenauswahl.

Aktuelle technische Lösungen

Prof. Dr. Thomas Rademacher von der Technischen Hochschule Bingen und Wilhelm Jaeger von der Westfarm GmbH Co. KG, Geilenkirchen berichteten über ein erfolgreiches Beratungsprojekt bei der Investition eines neuen Mähdreschers. Dessen Kauf wird von vielen betrieblichen Faktoren beeinflusst und gerade ein Betrieb mit einer großen Vielfalt möglicher Kulturen hat seine Schwierigkeiten, die richtige Maschine mit der passenden Ausstattung bzw. einer sinnvollen Automatisierungsstufe zu finden. Auf den Berater kommt hier die Aufgabe zu, auf Basis guten Fachwissens die Fragen so zu stellen, dass der Landwirt seine Entscheidung selbst treffen kann. Von der Seite der Hersteller berichteten Aaron Jacobs von der Carl Geringhoff Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG in Ahlen über aktuelle Innovationen in der Schneidwerkstechnik sowie Philipp Heck von der John Deere GmbH & Co. KG in Zweibrücken über technische Lösungen zum Thema Beikraut.

Arbeitswirtschaft & Datenmanagement

Wie man die installierte Leistung bestmöglich nutzen kann und warum es sinnvoll ist, einzelne Maschineneinstellungen zu automatisieren, stellte Dr. Joachim Baumgarten vom gastgebenden Unternehmen Claas ins seinem Vortrag dar. So muss der Bediener allein für das Dreschwerk eine ganze Reihe vonBewertungs- und Einstellgrößen ausbalancieren – und das über einen Arbeitstag von teilweise zwölf Stunden oder mehr. Allein auf Grund der zu erwartenden Entlastung des Fahrers ist ein großer Bedarf seitens der Praxis für eine komplexe Maschine wie den Mähdrescher zu erwarten. Eine fachgerechte Kalibrierung der Sensorik sowie eine umfangreiche Datenkontrolle sind seiner Meinung nach dabei als Grundvoraussetzungen zu sehen. Wie man die Verfahrenskette optimieren und Potenziale bei der Organisation heben kann, stellte Klaus Pentzlin dar, Landtechnischer Lohnunternehmer aus Schönweide und Präsident des deutschen sowie des europäischen Lohnunternehmerverbands CEETTAR (= Confédération Européenne des Entrepreneurs de Travaux Techniques Agricoles et Ruraux).

Große Möglichkeiten bieten hier das Abtanken während der Fahrt, die Nutzung von Fuhrunternehmen für den Straßentransport und eine höhere Einsatzsicherheit der Maschinen, vor allem bei elektronischen Bauteilen. Dass dafür die Vorhaltung umfangreiche Betriebsdaten nötig sind und Daten das Kapital darstellen, mit dem man seinen Betrieb besser optimieren kann, stellte Dr. Carsten Struve von der John Deere GmbH & Co. KG in Kaiserslautern in seinem Vortrag „Mähdruschfrüchte ernten – Dokumentation erweitern“ dar. In dieselbe Richtung wies Prof. Dr. Patrick Ole Noack von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, der sich mit der digitalen Entscheidungsunterstützung in landwirtschaftlichen Prozessen beschäftigte und dort vor allem auf den Datenkontext abhob. Mit dem Blick auf die Zukunft ist ihm besonders wichtig, junge Leute im Bereich der Digitalisierung auszubilden.

Getreideernte in 10 Jahren

In den Impulsvorträgen zur Podiumsdiskussion fokussierten Detlev Dölger von der Hanse Agro in Gettorf auf die pflanzenbaulichen und Prof. Dr. Peter Breunig von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte rund um den Mähdrescher, d. h. auch in Bezug auf Entscheidungen vor und nach der Ernte. In der Diskussion selbst mit Mortimer von Rümker (SaatGut-Friedrichswerth, Nessetal), Dr. Lars Fliege (Agrargesellschaft Pfiffelbach, Ilmtal-Weinstraße), Dr. Thomas Barrelmeyer (Claas, Harsewinkel), Matthias Berger (John Deere, Zweibrücken) und Geert Nerincks (CNH Industrial Belgium, Zedelgem) wurden dann verschiedene Aspekte der der Tagung aufgegriffen und diskutiert, wobei die Schwerpunkte auf der Fachkräftethematik sowie auf der Zukunft der Antriebstechnik für große, landwirtschaftliche Maschinen lag.

Helmut Claas – ein Leben für die Landtechnik

In der Dinner-Speech am Abend des ersten Veranstaltungstags erinnerten Cathrina Claas-Mühlhäuser und Jan-Hendrik Mohr aus der persönlichen Sicht an ihren Vater und Onkel, den Familienunternehmer Helmut Claas und zwar über den Unternehmer hinaus, dessen Ziel es war, immer in Bewegung zu bleiben, stets nach dem Besseren zu streben und dabei nie die Bodenhaftung zu verlieren. Sie berichteten über den Menschen, dem Zuhören, Vertrauen, Offenheit, Respekt und Loyalität, aber auch ein guter Schuss Humor dabei halfen, auch hochgesteckte Ziele zu erreichen und für den Aufgeben nie eine Option war. Wie wichtig es dabei ist, als Unternehmer Risiken einzuschätzen und möglicherweise trotzdem einzugehen, zeigt das Zitat „Irrwege erhöhen die Ortskenntnis“.

Ehrungen

Im Rahmen der Veranstaltung wurden für ihre langjährige Verdienste um die Landwirtschaft und die DLG wurden durch DLG-Präsident Hubertus Paetow die Herren Dr. Norbert Uppenkamp mit der Dencker-Kloth-Medaille sowie Dr. Josef Horstmann mit der Max-Eyth-Denkmünze in Silber ausgezeichnet.

weitere Informationen: DLG, www.dlg.org