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Pflanzenschutz im Getreide, © ballensilage.com
Pflanzenschutz im Getreide, © ballensilage.com

Julius Kühn-Institut / 04.10.2023
Mehr als 1.100 Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis diskutieren über Transformation des Pflanzenschutzes

63. Deutsche Pflanzenschutztagung behandelte vom 26.-29.09. in Göttingen alle Facetten des Pflanzenschutzes. Im Podium wurden Forderungen aus Politik und Gesellschaft an Beispielen aufgezeigt und teilweise kritisch diskutiert. Herausragende Forschungsleistungen wurden in der Eröffnungsveranstaltung ausgezeichnet.

Pressemitteilung / (Göttingen) Das Audimax der Universität Göttingen war am 27.09. (Mittwochvormittag) gut gefüllt. Auf dem Podium der Deutschen Pflanzenschutztagung diskutierten vier Experten über das Thema „Pflanzenschutz morgen – Transformation durch Wissenschaft“, das auch als Motto über der 63. Tagung stand. Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die angebauten Pflanzen auch künftig effektiv vor Krankheiten und Schaderregern zu schützen. Der Klimawandel verstärkt die Probleme, etwa indem Schadinsekten und mit ihnen Viruskrankheiten zunehmen, neue Schädlinge sich etablieren und die Pflanzen zusätzlichen abiotischen Stressoren (Hitze, Trockenstress, Starkregen) ausgesetzt sind. Parallel sollen chemische Pflanzenschutzmittel noch weiter reduziert werden und Anbausysteme resilient und ressourcenschonend sein.

Um all dies zu erreichen, brauche es tatsächlich eine Transformation, erklärte Prof. Dr. Jens Karl Wegener vom Julius Kühn-Institut (JKI). Der Leiter der Anwendungstechnik im Pflanzenschutz am JKI sagte: „Bisher hat die Technik das Anbausystem bestimmt. Wir müssen aber die Pflanze ins Zentrum stellen und das System an ihre Erfordernisse anpassen.“ Das bedeute, dass künftig nicht mehr jede Kultur auf jedem Boden angebaut werden könne, weil Ressourcen wie Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung stünden.

Prof. Dr. Andreas von Tiedemann, der an der Universität Göttingen die Professur für Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz innehat, äußerte sich kritisch zum Begriff Transformation: „Er weckt unerfüllbare Erwartungen, weil er impliziert, es gäbe ein alternatives System, mit dem sich der chemische Pflanzenschutz vollständig ersetzen lasse.“ Doch biologische Mittel deckten aktuell noch nicht einmal ein Prozent der Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel ab.

Dass Europa hauptsächlich auf Ökolandbau umstellen könne, hielt auch Prof. Dr. Martin Odening für nicht realistisch. „Wir müssen uns klarmachen, dass das mit massiven Wohlstandverlusten in der EU durch teurere Lebensmittel verbunden wäre“, so der Agrarökonom von der Berliner Humboldt Universität. Zudem verlagert sich so die Produktion in andere Weltregionen. Prof. von Tiedemann ergänzte, dass die Pläne der EU zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um 50 Prozent Europa beim Getreide vom Netto-Exporteur zum Netto-Importeur machen würden.

Helmut Bleckwenn, Landwirt aus Garmissen und Mitglied des DLG-Ausschusses für Pflanzenschutz, warf in seinem Vortrag die unter Landwirten diskutierte Frage auf, ob in Deutschland künftig weiter hochwertige, kostengünstige Nahrungsmittel regional angebaut werden sollten oder ob die Betrieben zu öffentlich finanzierten Landschaftsgestaltern für die urbane Gesellschaft umfunktioniert werden sollten. Sein Fazit war jedoch ein optimistisches: „Wir werden auch in 20 Jahren noch Landwirtschaft betreiben, und es wird eine gute Landwirtschaft sein.“

Preisverleihungen der DPG

Am Eröffnungstag der Pflanzenschutztagung werden traditionell die höchsten Ehrungen im Bereich des Pflanzenschutzes und der Phytomedizin in Deutschland verliehen. Es sind dies die Otto-Appel-Denkmünze und die Anton-de-Bary-Medaille und für Leistungen junger Forschender unter 40 Jahren aus den Reihen der DPG-Mitglieder der Julius-Kühn-Preis:

  • Die Otto-Appel-Denkmünze
    Die Otto-Appel-Denkmünze wurde an den ehemaligen Präsidenten des Julius Kühn-Instituts, Dr. Georg F. Backhaus, verliehen. Der studierte Gartenbauwissenschaftler hatte zwischen 2002 und 2018 die Geschicke des JKI und seiner Vorgängereinrichtung der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) geleitet und ab 2008 maßgeblich zum Zusammenwachsen der Züchtungs- und Pflanzenschutzforschung unter dem Dach des neugegründeten Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen beigetragen. Die Entscheidung zur Verleihung der Denkmünze war bereits 2020 während der Corona-Pandemie gefallen und die Ehrung wurde nun auf der ersten Präsenztagung nachgeholt.
  • Anton-De-Bary_Medaille
    Prof. Dr. Holger B. Deising nahm, ebenfalls nachträglich, die Anton-de-Bary-Medaille entgegen. Der Agrarwissenschaftler, der an der Martin-Luther-Universität Halle die Professur für Phytopathologie und Pflanzenschutz innehat, wird von der DPG für sein langjähriges wissenschaftliches Wirken auf dem Gebiet der Pflanzenkrankheiten ausgezeichnet, insbesondere für seine Forschung zu pilzlichen Schaderregern.
  • Julius-Kühn-Preis für Nachwuchsforschende
    Der mit 2.000 Euro dotierte Julius-Kühn-Preis für Nachwuchsforschende unter 40 Jahren wurde gleich drei Mal übergeben: Den aktuellen Preis teilen sich Prof. Dr. Sabine Andert (Hochschule Weihenstephan-Triestorf) und Dr. Sebastian Liebe (IFZ). Andert forscht zu Fragen der Unkrautkontrolle. Sie wird demnächst die Leitung des JKI-Fachinstituts für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland in Braunschweig übernehmen. Dr. Liebe führt seine Forschung zu Virusresistenzen an Rüben jetzt am Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) weiter. Die dritte Preisträgerin, Prof. Dr. Aline Koch (Uni Regensburg), wurde bereits 2021 mit dem Julius Kühn-Preis ausgezeichnet, für ihre Arbeiten zur Nutzung von speziell designten RNA-Molekülen als neuartige potenzielle Pflanzenschutzmittel.

Weiterführende Informationen:

Vom 26. bis 29.09. fand die 63. Deutsche Pflanzenschutztagung in Göttingen statt. Zur feierlichen Eröffnung begrüßte Prof. Dr. Frank Ordon; Präsident des Julius Kühn-Instituts (JKI) und Vorsitzender des Programmkomitees, im Namen der drei Veranstalter – der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (DPG), des Amtlichen Pflanzenschutzdienstes der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und des JKI. Eröffnet wurde die Tagung von BMEL-Staatssekretärin Silvia Bender, die ein Grußwort per Videobotschaft sendete. Sie forderte ein größeres Tempo beim Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel. Während der Tagung werden in mehr als 370 Vorträgen und 230 Postern alle Facetten des Pflanzenschutzes und der Phytomedizin behandelt.

Die DPG ist als Fachgesellschaft der Forschenden zu Fragen von Pflanzenkrankheiten neben dem Julius Kühn-Institut Hauptausrichter der Tagung, die alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfindet. Der Pflanzenschutzdienst des jeweiligen Bundeslandes in dem die Tagung stattfindet ist jeweils Mitausrichter.

weitere Informationen: Julius Kühn-Institut, www.julius-kuehn.de